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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats September 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Solidaritätszuschlag ist nicht verfassungswidrig

2.

Scheinarbeitsverhältnis zwecks Krankenversicherung und die Folgen

3.

Umsatzbesteuerung der Veräußerung von Zahlungsansprüchen

4.

Keine verbindliche Bestellung zum Nachweis der Investitionsabsicht erforderlich

5.

Landwirtschaftlicher Kleinbetrieb - Abgrenzung zur privaten Gartenbewirtschaftung

6.

Geldwerter Vorteil bei verbilligter Wohnungsüberlassung und Rentenversicherungs-Zuschüssen

7.

Können Verluste aus Übungsleitertätigkeiten steuerlich geltend gemacht werden?

8.

Zivilprozesskosten neuerdings als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

9.

"Whistleblowing" kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

10.

Geburtstagsfeiern mit Mitarbeitern/Geschäftspartnern in der Regel privat veranlasst

11.

Kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn trotz "Praxisverkauf"

12.

Arbeitszimmer sind trotz privater Mitbenutzung steuerlich absetzbar

13.

Schenkweise Übertragung eines Ferienhauses unter Ehegatten ist steuerpflichtig

14.

Alkohol am Arbeitsplatz: Risiko für Versicherungsschutz und Hinterbliebenenrente

15.

Ein Buch als Kündigungsgrund?

16.

Grunderwerbsteuer in NRW und Rheinland-Pfalz steigt von 3,5 % auf 5,0 %

17.

ELENA-Verfahren steht vor dem Aus

18.

Schadensbegrenzung bei krankheitsbedingter Urlaubsabgeltung

19.

Telekom-Tarifvertrag gilt auch für ehemalige Postler

20.

Ausschluss von Kindern besser verdienender Eltern aus Familienversicherung ist verfassungsgemäß

21.

Zur Steuerbefreiung bei Vermögensauseinandersetzung

22.

Steuerhinterziehung: besonders schwerer Fall ist stets zu prüfen

23.

Steuererstattung auf falsches Konto wirkt nicht schuldbefreiend

24.

Gewinnvortrag und Jahresüberschuss keine nachträglichen Anschaffungskosten bei Veräußerung eines GmbH-Anteils

25.

Müssen sich Betriebsratsmitglieder für jede Tätigkeit abmelden?

26.

Zahlung eines Ehegatten dient der Steuerschuld beider



1. Solidaritätszuschlag ist nicht verfassungswidrig

Kernaussage
 Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 ist jedenfalls bis 2007 nicht verfassungswidrig. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte der Solidaritätszuschlag zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Einheit entstandenen finanziellen Belastungen dienen. Dieser verfolgte Zweck ist auch nach der Laufzeit von bis dahin 13 Jahren nicht erreicht. Erst wenn der Zweck erreicht ist und die Abgabe zur Deckung einer dauerhaften Finanzierungslücke dient, kann der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig werden.

Sachverhalt
 In den beiden Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) hatten eine Rechtsanwältin und eine GmbH gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bzw. 2007 geklagt. Die Klägerinnen vertraten die Auffassung, dass der Solidaritätszuschlag von Anfang an verfassungswidrig sei, mindestens aber durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden ist. Die Finanzgerichte wiesen die Klagen jeweils ab. Auch vor dem BFH hatten die Klägerinnen keinen Erfolg.

Entscheidung
 Der Bund darf den Solidaritätszuschlag als sog. Ergänzungsabgabe zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer erheben. Die Abgabe höhlt wegen ihrer Höhe (Aufkommen im Jahr 2005 ca. 10,3 Mrd. EUR, im Jahr 2007 ca. 12,3 Mrd. EUR) nicht die dem Bund und den Ländern gemeinsam zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer aus, sondern steht hierzu in einem angemessenen Verhältnis. Das Solidaritätszuschlagsgesetz musste auch nicht von Anfang an befristet werden, die zu finanzierenden Aufgaben genau bezeichnen oder eine konkrete Zweckbindung der Einnahmen festlegen. Durch Zeitablauf ist das Solidaritätszuschlagsgesetz jedenfalls bis 2007 nicht verfassungswidrig geworden, denn an der Finanzierung der einigungsbedingten Lasten beteiligt sich der Bund bis zum Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 mit weiter sinkenden Beträgen. Der mit der Einführung verfolgte Zweck ist daher weiterhin einschlägig. Von einer Deckung einer dauernden Finanzierungslücke ist zumindest bis zum Jahr 2007 nicht auszugehen.

Konsequenz
 Sofern Einsprüche gegen den Solidaritätszuschlag ab 2007 mit dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens unter Hinweis auf die nunmehr vom BFH entschiedenen Verfahren eingelegt wurden, dürften diese nunmehr als unbegründet zurückgewiesen werden. Die Urteile verdeutlichen jedoch, dass der Solidaritätszuschlag zumindest zukünftig verfassungswidrig werden könnte.

2. Scheinarbeitsverhältnis zwecks Krankenversicherung und die Folgen

Rechtslage
 Wer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis angestellt ist, ist Pflichtmitglied in den gesetzlichen Sozialversicherungen und damit gesetzlich pflichtversichert. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt dabei in der Regel dann vor, wenn ein Arbeitnehmer weisungsgebunden in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hatte nunmehr über die versicherungsrechtlichen Folgen eines nur zum Schein eingegangenen Beschäftigungsverhältnisses zu entscheiden.

Sachverhalt
 Der Vater der nicht krankenversicherten Klägerin hatte diese in seinem Imbiss-Betrieb angestellt. Sie erhielt ein monatliches Bruttogehalt von 405 EUR (und lag damit mit 5 EUR im Bereich der Sozialversicherungspflicht) bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden. Sie wurde versicherungspflichtig angemeldet, was damit begründet wurde, dass sie, wie jeder andere Arbeitnehmer, insbesondere weisungsgebunden beschäftigt werde. Darüber hinaus müsse ohne die Mitarbeit der Tochter eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Die für die Beurteilung des Arbeitsverhältnisses zuständige Krankenkasse wertete die Tätigkeit als Scheinarbeitsverhältnis und versagte die Mitgliedschaft in den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen. Die Ansicht der Krankenkasse wurde vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt bestätigt.

Entscheidung
 Bereits das geringe Gehalt spreche gegen ein "normales" Arbeitsverhältnis. Darüber hinaus sei die Tochter kurz nach dem Anmeldedatum wegen einer schweren psychischen Krankheit stationär behandelt worden und längere Zeit arbeitsunfähig gewesen. Vor diesem Hintergrund kam das Gericht zu dem Schluss, dass das Arbeitsverhältnis allein deshalb begründet worden sei, um die Tochter in den Genuss einer Krankenversicherung zu bringen. Ein tatsächliches Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten sei hingegen nicht gewollt gewesen. Wer eine Versicherungspflicht begründen wolle, sei hierfür auch beweispflichtig. Diesen Beweis hätten die Klägerin und ihr Vater nicht führen können.

Konsequenz
 Auch wenn der Abschluss eines Arbeitsvertrages regelmäßig die Sozialversicherungspflicht indiziert, kommt es dann nicht zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn der Arbeitsvertrag offensichtlich nur abgeschlossen wird, um gegen Krankheit abgesichert zu sein.

3. Umsatzbesteuerung der Veräußerung von Zahlungsansprüchen

Kernaussage
 Die Veräußerung von Zahlungsansprüchen (ohne Flächen), die einem Landwirt aufgrund der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP-Reform) zugewiesen wurden, unterliegt der Umsatzbesteuerung. Sie ist nicht nach Durchschnittssätzen zu besteuern und ist auch nicht steuerfrei.

Sachverhalt
 Der Kläger ist Landwirt und unterliegt mit seinen Umsätzen der Durchschnittssatzbesteuerung. Nach der GAP-Reform stehen ihm Zahlungsansprüche zu. Diese können grundsätzlich durch Verkauf oder jede andere endgültige Übertragung mit oder ohne Flächen veräußert werden. Der Kläger verkaufte 18,58 Zahlungsansprüche für insgesamt 6.503 EUR. Der sich hieraus resultierende Nettobetrag von 5.464 EUR gab der Kläger als steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz an. Das Finanzamt folgte der eingereichten Umsatzsteuererklärung. Hiergegen wehrte sich nunmehr der Kläger und begehrte die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung; jedenfalls aber sei der Umsatz nach den Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Der Bundesfinanzhof gab schließlich dem Finanzamt Recht.

Entscheidung
 Bereits der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nicht anwendbar ist. Diese bezieht sich lediglich auf die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder die Erbringung landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Die Veräußerung von Zahlungsansprüchen fällt nicht hierunter. Auch eine Gewährung der begehrten Steuerfreiheit nach dem UStG kam nicht in Betracht, denn nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist die Veräußerung von Zahlungsansprüchen kein Fall eines Finanzgeschäftes, so dass die entsprechende Steuerbefreiungsvorschrift nicht anwendbar ist. Zahlungsansprüche erfordern nämlich beihilfefähige Flächen, die zur Aktivierung der Zahlungsansprüche führen können; daneben sind weitere Auflagen zu erfüllen. Wegen dieser zusätzlichen Voraussetzungen konnte die umsatzsteuerliche Befreiungsvorschrift keine Anwendung finden.

Konsequenz
 Da die Veräußerung oder sonstige Übertragung von Zahlungsansprüchen gemäß der GAP-Reform weder ein Tatbestand der Durchschnittssatzbesteuerung ist, noch den Steuerbefreiungsvorschriften unterfällt, sind die erhaltenen Entgelte inklusive Umsatzsteuer zu werten. Der Zahlungsempfänger schuldet daher die Umsatzsteuer in Höhe des Regelsteuersatzes von 19 %.

4. Keine verbindliche Bestellung zum Nachweis der Investitionsabsicht erforderlich

Kernaussage
 Steuerpflichtige können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen. Dieser Investitionsabzugsbetrag kann nur unter bestimmten, einkommensteuergesetzlich normierten, Voraussetzungen abgezogen werden. Das Finanzgericht Niedersachsen entschied nun, dass eine verbindliche Bestellung des Wirtschaftsgutes zum Nachweis einer Investitionsabsicht nicht erforderlich ist.

Sachverhalt
 Zwischen den Parteien war streitig, ob bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ein Investitionsabzugsbetrag steuerlich zu berücksichtigen war. Der Kläger machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2007 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 150.000 EUR geltend, der sich aus der Bildung eines Investitionsabzugsbetrages für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage in den Folgejahren ergab. Der Einkommensteuererklärung waren entsprechende Angebote über verschiedene Anlagen beigefügt. Erste Investitionen wurden fristgerecht in 2010 durchgeführt. Das beklagte Finanzamt erkannte den Verlust aus Gewerbebetrieb indes nicht an; man war der Auffassung, zum Stichtag des 31.12.2007 hätten bereits verbindliche Bestellungen über die Photovoltaikanlagen vorliegen müssen. Das Finanzgericht gab dem Kläger Recht.

Entscheidung
 Steuerpflichtige können aufgrund der Neufassung der einkommensteuerrechtlichen Vorschrift bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungskosten gewinnmindernd abziehen, soweit ein Erwerb in den folgenden 3 Wirtschaftsjahren beabsichtigt ist. Im Gegensatz zur Altfassung der Bestimmung (sog. Ansparrücklage) wird nicht mehr zwingend eine verbindliche Bestellung gefordert. Denn Ziel der Gesetzesneufassung ist es, eine Investition bei tatsächlicher Durchführung zu unterstützen. Erfolgt im Sinne des Investitionsabzugsbetrags keine Anschaffung, wird die Gewinnminderung rückwirkend im Jahr der Bildung aufgehoben, so dass neben der Nachversteuerung die zurückzuzahlenden Steuern verzinst werden.

Konsequenz
 Zwar ist eine verbindliche Bestellung des Wirtschaftsguts nicht zwingend erforderlich. Dennoch ist nach den Ausführungen des Finanzgerichtes die konkrete Anschaffungsabsicht zu dokumentieren. Dies geschah im Streitfall durch Vorlage der jeweiligen Angebote. Auch sollte das Merkmal der voraussichtlichen Investition im Sinne einer hinreichenden Konkretisierung beachtet werden. Dies geschah hier zutreffend durch entsprechende Erläuterung im Rahmen der Abgabe der Einkommensteuererklärung und der dortigen Ausführungen zum Investitionsabzugsbetrag. Die Revision wurde zugelassen; jetzt bleibt die abschließende Entscheidung durch den Bundesfinanzhof abzuwarten.

5. Landwirtschaftlicher Kleinbetrieb - Abgrenzung zur privaten Gartenbewirtschaftung

Kernaussage
 Wenn nach der Einheitswertfeststellung ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt und die Größe der bewirtschafteten Fläche die für die Abgrenzung von einer privaten Gartenbewirtschaftung entwickelte Grenze (3.000 qm) übersteigt, ist in der Regel auch einkommensteuerrechtlich von einem landwirtschaftlichen Betrieb auszugehen.

Sachverhalt
 Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertrug die Klägerin Grundstücke, die seit Mitte der 50er Jahre im Familienbesitz waren, auf ihre beiden Töchter. Ausweislich des Grundbuchs waren zu keinem Zeitpunkt Eigentümer mit der Berufsbezeichnung "Landwirt" eingetragen. Der Einheitswertakte des Finanzamts war zu entnehmen, dass die Grundstücke einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet wurden, da die Voreigentümer jeweils das Halten von Vieh, wenn auch im untergeordneten Verhältnis, angegeben hatten. Ob allerdings jemals Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt wurden, war nicht mehr nachvollziehbar. Das Finanzamt stellte im Rahmen der Übertragung der Grundstücke eine steuerpflichtige Entnahme fest, weil der Grundbesitz insgesamt land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen gewesen sei. Dies führte zur Aufdeckung stiller Reserven. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Bundesfinanzhof erfolglos.

Entscheidung
 Nach Ansicht der Richter hatte das Finanzamt zu Recht einen landwirtschaftlichen Betrieb angenommen. Bei einer Entnahme muss vorweg der Tatbestand des Betriebsvermögens erfüllt sein. Hierfür muss der jeweilige Betriebsinhaber selbstständig und nachhaltig tätig sein, sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligen und insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht handeln. Landwirtschaft kann auch auf Stückländereien betrieben werden und erfordert keine Mindestfläche; Ausnahme hiervon bildet eine lediglich sehr geringe Nutzfläche. Die Finanzverwaltung nimmt dafür aus Vereinfachungsgründen eine Flächengröße von nicht mehr als 3.000 qm an, sofern keine Intensivnutzung vorliegt. Nach der Rechtsprechung sind auch Beitragszahlungen zur Landwirtschaftskammer sowie zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Indizien für das Vorliegen eines einkommensteuerrechtlichen Betriebs der Landwirtschaft. Selbst die Annahme, dass die Flächen vor Generationen land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienten, reicht aus, um einen (ruhenden) Betrieb anzunehmen. Damit bleiben die Flächen Betriebsvermögen, solange nicht eine ausdrückliche Entnahme erklärt wird. Auch eine Verpachtung, selbst über Jahrzehnte, reicht nicht aus, um den Betrieb als aufgegeben zu deklarieren. Hier ist ebenfalls eine unmissverständliche Aufgabeerklärung erforderlich. Demnach waren die stillen Reserven der im Streitfall entnommenen Flächen zu versteuern.

Konsequenz
 Es gilt, nach wie vor ein Augenmerk auf einen latent vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu richten. Der Fall zeigt wieder einmal deutlich, dass ruhende Betriebe vorliegen können, die bereits durch Vorgenerationen entstanden sind.

6. Geldwerter Vorteil bei verbilligter Wohnungsüberlassung und Rentenversicherungs-Zuschüssen

Kernproblem
 Eine Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts ist bei Kapitalgesellschaften genauso "wenig beliebt", wie die "normale" Außenprüfung im inhabergeführten Betrieb. Das liegt daran, dass auch hier den nahestehenden Personen (Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern) besonders auf die Finger geschaut wird, denn diese unterliegen als steuerliche Arbeitnehmer der Lohnsteuer. So erging es auch einer Aktiengesellschaft (AG) im Zuständigkeitsbereich des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf, die sich mit einer Lohnsteuer-Haftungsschuld von über 1,2 Mio. EUR konfrontiert sah.

Sachverhalt
 Die AG sah sich in der Lohnsteuer-Außenprüfung 2 Vorwürfen ausgesetzt, die nach dem Willen des Finanzamts zu geldwerten Vorteilen führten. Der Witwe eines ehemaligen Vorstandsvorsitzenden wurde eine über 231 qm große Wohnung für eine Miete von etwa 100 EUR monatlich überlassen. Zu der Wohnung gehörten auch ein Schwimmbad mit Umkleide-, Sanitär- und Technikräumen sowie 2 Tiefgaragenstellplätze. Die AG ermittelte hierfür eine Kostenmiete von etwa 2.450 EUR monatlich (einschl. TG/Schwimmbad, darin 8 EUR/qm für die Wohnung) und führte dementsprechend den Lohnsteuerabzug durch. Ferner gewährte die AG 5 Vorstandsmitgliedern neben einer Pensionszusage Zuschüsse zu einer Rentenversicherung (freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. Versorgungswerk). Die Zuschüsse waren auf die Höhe der Arbeitgeberanteile bei gesetzlicher Rentenversicherungspflicht beschränkt. Bei 3 Betroffenen sollten spätere Rentenzahlungen auf Ruhegehälter der AG angerechnet werden. Die AG behandelte die Zuschüsse als steuerfrei. Das Finanzamt wollte die Miete nach der Mietrichtwerttabelle (ca. 11,50 EUR/qm) ansetzen und sah die Zuschüsse als steuerpflichtig an. So traf man sich vor dem FG.

Entscheidung
 Die AG obsiegte in voller Höhe beim Ansatz der Kostenmiete, ohne dass das FG hierzu weitere Ausführungen machen musste, denn man hatte sich in der mündlichen Verhandlung geeinigt. So bleibt die Erkenntnis, dass eine Kostenmiete zum Ansatz kommen kann, wenn eine realistische Marktmiete für teure Objekte nicht erzielbar ist. Hinsichtlich der Zuschüsse zur Rentenversicherung konnte sich die AG in 3 der 5 Fälle freuen. Zwar führe die Entrichtung der freiwilligen Beiträge grundsätzlich zu Arbeitslohn, weil der Arbeitnehmer einen eigenen Rechtsanspruch gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung erlange. Ein geldwerter Vorteil sei aber wegen eines eigenbetrieblichen Interesses zu verneinen, soweit die späteren Leistungen auf das Ruhegehalt aus der Pensionszusage angerechnet würden.

Konsequenz
 Die Aussagen zum eigenbetrieblichen Interesse bei Zahlung in die Rentenkasse unter Anrechnung auf Versorgungsbezüge des Arbeitgebers liegen im Trend der Rechtsprechung. Bereits 2006 hatte der Bundesfinanzhof bei einem Kirchenbeamten ebenso geurteilt.

7. Können Verluste aus Übungsleitertätigkeiten steuerlich geltend gemacht werden?

Kernproblem
 Einnahmen aus sog. nebenberuflicher Übungsleitertätigkeit bleiben bis zu einem Betrag von 2.100 EUR von der Einkommensteuer befreit. Hierunter fallen nicht nur Übungsleiter (wie der Name vermuten lässt), sondern auch Sport- und Musiklehrer, sowie sonstige nebenberufliche Tätigkeiten als Ausbilder, Erzieher, Betreuer, Künstler oder bei der Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen. Zudem ist Voraussetzung, dass die Beträge von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Einrichtung gezahlt werden. Wird der Freibetrag von 2.100 EUR überschritten, können nur mit der Tätigkeit zusammenhängende Ausgaben abgezogen werden, die den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen. Damit soll eine Doppelberücksichtigung von Ausgaben verhindert werden. Über die Auslegung der Vorschrift gibt es jedoch unterschiedliche Auffassungen, wenn ein Überschuss der Ausgaben vorliegt, während die Einnahmen unter dem Freibetrag bleiben. Kann dann ein Verlust steuerlich geltend gemacht werden?

Sachverhalt
 Der hauptberuflich bei einem Steuerberater angestellte Betriebswirt war nebenberuflich als Tanzsportübungsleiter tätig und erzielte hieraus Einnahmen in Höhe von 1.128 EUR. Dem standen Ausgaben von 2.417 EUR gegenüber, so dass sich rechnerisch ein Verlust von 1.289 EUR ergab, den der Übungsleiter zum Abzug bringen wollte. Das Finanzamt lehnte dies mit dem Hinweis auf den Wortlaut des Gesetzes ab. Demnach sei eine Verrechnung mit Ausgaben nur dann möglich, wenn die Einnahmen den steuerfreien Betrag von 2.100 EUR überschritten. Weil das hier nicht der Fall war, setzte das Finanzamt die Einkünfte mit 0 EUR an. Zum Glück war der Tänzer auch im Hauptberuf begnadet und zog vor das Finanzgericht (FG).

Entscheidung
 Das FG Rheinland-Pfalz gab dem Übungsleiter Recht. Zwar stelle der Gesetzeswortlaut klar, dass das Abzugsverbot auf den Betrag der steuerfreien Einnahmen begrenzt sei, damit kein doppelter steuerlicher Vorteil eintrete. Bei der Sachlage im Streitfall sei aber auch zu berücksichtigen, dass durch die gesetzliche Regelung generell eine Besserstellung erreicht werden solle, keinesfalls eine Schlechterstellung. Nur eine Verlustberücksichtigung werde dem objektiven Nettoprinzip und der Zielrichtung der Vorschrift gerecht, zumal hierdurch im Vergleich zu einem hauptberuflich tätigen Übungsleiter das gleiche Ergebnis erzielt würde.

Konsequenz
 Ob der Tänzer hier noch einmal vor dem BFH glänzen muss, steht noch nicht fest, denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zugelassen, weil die Streitfrage einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.

8. Zivilprozesskosten neuerdings als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

Rechtslage
 Die Kosten eines Zivilprozesses waren bisher in der Regel nicht als außergewöhnliche Belastungen bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens in Abzug zu bringen. Lediglich bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen wurden Ausnahmen anerkannt. Unter Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung können Zivilprozesskosten nunmehr unabhängig vom Gegenstand des Rechtsstreits als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn die Prozessführung nicht als mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Sachverhalt
 Die Klägerin war im Jahr 2004 arbeitsunfähig erkrankt und hatte von ihrer Krankenversicherung das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld erhalten. Im Jahr 2005 wurde festgestellt, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit der Klägerin eingetreten war. Die Krankenversicherung stellte daraufhin ihre Zahlungen des Krankengeldes mit der Begründung ein, dass die Leistungspflicht 3 Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Die Klägerin vertrat eine andere Auffassung und erhob erfolglos Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 EUR machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte diese Kosten nicht. Das Finanzgericht gab dem Finanzamt unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung Recht.

Entscheidung
 Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil auf und verwies den Rechtstreit wegen geänderter Rechtsauffassung zurück. Die Kosten eines Zivilprozesses wurden bislang nicht als "zwangsläufige größere Aufwendung" im Sinne der einkommensteuerlichen Vorschrift über außergewöhnliche Belastungen beurteilt, denn der Streit unterlag grundsätzlich der Disposition der Parteien. Vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips rückt die Rechtsprechung nunmehr hiervon ab. Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Rechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Sie sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat und dieser hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das Finanzgericht hat nunmehr zu entscheiden, ob die damalige Klage hinreichende Erfolgsaussichten hatte.

Konsequenz
 Das Regel-Ausnahmeverhältnis wurde durch diese erfreuliche Rechtsprechungsänderung umgekehrt. Erscheint der Erfolg eines Zivilprozesses ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg, sind die Kosten als außergewöhnliche Belastungen nunmehr stets in der Einkommensteuererklärung in Ansatz zu bringen. Dies dürfte zumindest im Fall der anwaltlichen Vertretung die Regel sein.

9. "Whistleblowing" kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

Kernfrage
 Als Whistleblowing im Arbeitsrecht bezeichnet man die Information über Missstände beim oder über den Arbeitgeber. (Anonymes) Whistleblowing kann beim Arbeitgeber im Rahmen interner Compliance gewollt sein; oftmals informieren Arbeitnehmer aber externe Dritte (zum Beispiel Behörden) unmittelbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in einem Whistleblowing-Fall, über die Zulässigkeit einer deswegen ausgesprochenen Kündigung zu befinden, nachdem die deutschen Arbeitsgerichte und das Verfassungsgericht die Kündigung für rechtmäßig gehalten hatten.

Sachverhalt
 Die Klägerin war mittelbar beim Land Berlin als Altenpflegerin beschäftigt und hatte bereits mehrfach über Missstände in der Qualität der Pflege (zu wenig Personal, unzureichende Betreuung) informiert, die auch durch eine Medizinische Begutachtung der Einrichtung bestätigt wurden. Nachdem die Missstände nicht abgestellt wurden, erstattete sie Ende 2004 Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber wegen Betrugs. Er täusche eine qualitativ hochwertige Versorgung vor und lasse sich diese bezahlen, erbringe diese Leistung aber tatsächlich nicht. Darauf kündigte der Arbeitgeber fristlos.

Entscheidung
 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte - gegen die Entscheidungen der deutschen Gerichte, die er aufgrund fehlender Kompetenz aber nicht aufheben kann - einen Verstoß gegen die Freiheit der Meinungsäußerung fest und verurteilte den deutschen Staat zur Zahlung einer Entschädigung. Die Kündigung, die einen Eingriff in dieses Grundrecht darstelle, sei nicht gerechtfertigt. Zwar hätten die Vorwürfe rufschädigenden Charakter; es überwiege aber das öffentliche Interesse an der Offenlegung der Missstände, insbesondere im Bereich der institutionellen Altenpflege. Erschwerend für den Arbeitgeber komme im Falle der Klägerin hinzu, dass diese im Vorfeld bereits erfolglos informiert habe und nicht leichtfertig falsche Tatsachen behauptet habe.

Konsequenz
 Zwar hat die Entscheidung keine Auswirkungen mehr auf das deutsche Rechtsverfahren; sie dürfte aber Signalwirkung für das deutsche wie europäische Arbeitsrecht haben. In Zukunft wird man das Kündigungsinteresse des Arbeitgebers in Fällen des Whistleblowings regelmäßig an der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie dem Grad der offen gelegten Missstände und den davon ausgehenden Gefahren zu messen haben.

10. Geburtstagsfeiern mit Mitarbeitern/Geschäftspartnern in der Regel privat veranlasst

Kernproblem
 Oftmals werden Bewirtungsaufwendungen im Zusammenhang mit persönlichen Ereignissen getätigt. Hierbei ist dann für die Zuordnung der Aufwendungen zum beruflichen oder privaten Bereich auch von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt und ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter, Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, um Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Angehörige handelt. Bei der Bewirtung von Kollegen im Zusammenhang mit Feiern für Abschied, Jubiläum, Weihnachten, Jahresabschluss oder Versetzung sieht der Bundesfinanzhof (BFH) durchaus einen betrieblichen Charakter. Bei einem runden Geburtstag aber hört die Feierlaune beim Finanzamt auf.

Sachverhalt
 Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ingenieurgesellschaft wurde 60 Jahre alt und ließ sich nicht lumpen. So lud er mit einem netten Vers die Mitarbeiter des Unternehmens in ein Burghotel zu einer Feier ein: "Wird Mann wird Frau bald 60 Jahre - es gilt für alle Jubilare: den Runden feiert man ganz groß, denn Kneifen ist charakterlos. Und dazu ist es angeraten, recht viele Gäste einzuladen. So ist es gute alte Sitte, der schöne Ruf sonst etwas litte". Zuletzt bat er die Kollegen im Schreiben auf dem Briefkopf des Unternehmens darum, ihn bei "diesem schweren Schritt" zu unterstützen. Dem Aufruf folgten 117 Personen, davon 18 Geschäftspartner und lediglich 6 Verwandte. Die große Beliebtheit des Geschäftsführers färbte jedoch nicht auf das Finanzamt ab, denn dieses wollte die Rechnung von über 6.000 EUR nicht als Werbungskosten anerkennen. So ging es zum Finanzgericht. Ob es dort weiterhalf, dass im gleichen Jahr seine 35jährige Betriebszugehörigkeit dazukam?

Entscheidung
 Das FG Münster nimmt u. a. den Einladungstext zum Anlass, eine private Veranlassung der Feier zu unterstellen. Denn hier fehlten ebenso Aussagen zur Betriebszugehörigkeit, wie auf der Gästeliste. Zudem wurde dem 60jährigen vorgehalten, in dem Einladungsschreiben persönlich (und nicht als Unternehmensvertreter) aufgetreten zu sein, Gästeliste und Inhalt der Einladung nicht mit den beiden anderen Geschäftsführern abgestimmt zu haben und die Veranstaltung nicht auf dem Betriebsgelände, sondern auf einer Burg (und dann noch mit überdurchschnittlich 55,43 EUR je Person) durchgeführt zu haben. Der Tatsache, dass außer 6 Verwandten nur Betriebsangehörige und Geschäftspartner an der Veranstaltung teilnahmen, wollte das FG nicht die gewünschte Bedeutung beimessen.

Konsequenz
 Ob das Urteil angesichts des mittlerweile aufgeweichten Aufteilungsverbots noch stimmig ist, erscheint fragwürdig. Will man Streit vermeiden, bietet der Einladungstext erste Möglichkeiten für einen günstigeren Ausgang.

11. Kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn trotz "Praxisverkauf"

Kernproblem
 Veräußert ein Unternehmer seinen Betrieb, wird ein daraus entstehende Gewinn tarifbegünstigt besteuert, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber übertragen werden und damit die gewerbliche oder freiberufliche Betätigung des Veräußerers endet.

Sachverhalt
 Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie und Inhaber einer angemieteten Praxisklinik mit voll ausgestatteten Operationsräumen. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Durchführung von Kniegelenksoperationen. Er veräußerte die Praxis ohne das Inventar sowie seine Patientenkartei an einen Berufskollegen. Der Erwerber sollte auch in den bestehenden Mietvertrag für die Räume eintreten, was dieser aber ablehnte. Der Kläger eröffnete in der Nähe eine neue Privatpraxis, in der er sich schwerpunktmäßig der klassischen Orthopädie zuwandte. Operative Eingriffe in vermindertem Umfang führte der Kläger weiter in seinen alten Praxisräumen, deren Mietvertrag noch bestand, durch, da die neue Praxis selbst über keine Operationssäle verfügte. Das beklagte Finanzamt behandelte den Gewinn aus dem "Praxisverkauf" als laufenden Gewinn mit der Begründung, der Kläger gehe weiterhin der gleichen freiberuflichen Tätigkeit nach und habe diese nicht in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis eingestellt.

Entscheidung
 Das Finanzgericht (FG) Hamburg folgte der Ansicht des Finanzamtes. Die begünstigte Veräußerung einer Praxis setzt voraus, dass alle wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen auf den Erwerber übertragen werden. Hierzu zählen in erster Linie die Beziehungen des Praxisinhabers zu seinen bisherigen Patienten. Eine Übertragung ist nur dann gewährleistet, wenn der Veräußerer seine Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungsfeld wenigstens für eine gewisse Zeit aufgibt und somit nicht in Konkurrenz zu der übertragenen Praxis tritt. Der Kläger hingegen eröffnete seine neue Praxis in unmittelbarer Nähe zur bisherigen Tätigkeitsstätte. Zudem veränderte er sein bisheriges Tätigkeitsfeld nicht grundlegend. Nach Auffassung des FG stellt der Wechsel von der operativen hin zur klassischen Orthopädie jedenfalls keine wesensmäßig veränderte Tätigkeit dar. Dass der Kläger seine Patientenkartei veräußert hat, reicht für die Annahme einer tarifbegünstigten Besteuerung des Gewinns nicht aus.

Konsequenz
 Eine tarifbegünstigte Betriebsveräußerung setzt nicht voraus, dass der Veräußerer im bisherigen räumlichen Wirkungsbereich jedwede unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit einstellt. Bei Aufnahme einer neuen Tätigkeit muss diese aber von der bisherigen wesensverschieden sein. Die Rechtsprechung hat wesensverschiedene Tätigkeiten bei Ärzten z. B. nicht angenommen in Fällen eines Wechsels von einer allgemeinmedizinischen Praxis in eine Praxis für Naturheilkunde oder von einer Tätigkeit als Zahnarzt in den Bereich der Kieferchirurgie.

12. Arbeitszimmer sind trotz privater Mitbenutzung steuerlich absetzbar

Kernproblem
 Um die steuerliche Absetzbarkeit eines häuslichen Arbeitszimmers hat es bereits in der Vergangenheit häufig Streit gegeben. Das gilt erst recht, wenn das Arbeitszimmer nicht eindeutig den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bildet. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch auch in diesen Fällen ein steuerlicher Abzug bis zu einem Betrag in Höhe von 1.250 EUR möglich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss das Arbeitszimmer so gut wie ausschließlich beruflich genutzt sein. Kritisch wurde es in der Vergangenheit immer dann, wenn das Arbeitszimmer räumlich nicht ausreichend von anderen privat genutzten Bereichen getrennt war. So konnten ein Fernseher oder eine Schlafcouch im Arbeitszimmer durchaus das Ende des steuerlichen Abzugs bedeuten. Schuld daran war das streng ausgelegte Aufteilungsverbot von gemischt veranlassten Aufwendungen. Dass hieran noch festgehalten werden kann, bezweifelt jetzt das Finanzgericht (FG) Köln.

Sachverhalt
 Der Betreiber einer Werkstatt nutzte einen Teil seines angemieteten Einfamilienhauses für Bürotätigkeiten und Kundenempfänge. Die betriebliche Nutzung beschränkte sich auf das Erdgeschoß, in dem er die Ecke eines Raums mit Schreibtisch und Büroregalen ausstattete. Der Raum war durch ein Regal von einem Bereich getrennt, in dem sich Sofa, Couch- und Esstisch, Stühle und Fernseher befanden. Daran grenzte die Küche, so dass anzunehmen war, es handele sich hierbei um das Wohnzimmer, zumal sich in den anderen Räumen des Hauses nur Schlafzimmer befanden. Das Finanzamt wollte daher den Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht anerkennen und befand sich auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung, obwohl die betriebliche (Mit-)Benutzung unstreitig war.

Entscheidung
 Das FG Köln nimmt die Änderung der Rechtsprechung des BFH im Zusammenhang mit dem Abzug von gemischt veranlassten Reisekosten zum Anlass, auch im Streitfall einen Teilabzug der Kosten des Arbeitszimmers auszusprechen. So habe der BFH in seiner jüngsten Rechtsprechung den Grundsatz einer Aufteilung der Kosten geprägt und sich damit weg vom Aufteilungsverbot bewegt. Der abzugsfähige Anteil der Kosten sei ggf. zu schätzen. Im Zusammenhang mit der Aufteilung von Reisekosten hatte der BFH keine Bedenken geäußert, von einem hälftigen Abzug sämtlicher Kosten auszugehen, wenn kein anderer Aufteilungsmaßstab erkennbar sei. Dieser Aufteilung folgten die Finanzrichter jetzt auch im Fall des Arbeitszimmers.

Konsequenz
 Die Revision zum BFH wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (und ist bereits eingelegt), zumal das FG Baden-Württemberg vor kurzem eine Aufteilung rechtskräftig abgelehnt hatte. Die Tendenz der Rechtsprechung bleibt aber erfreulich, denn die Abkehr vom Aufteilungsverbot setzt sich fort.

13. Schenkweise Übertragung eines Ferienhauses unter Ehegatten ist steuerpflichtig

Kernfrage
 Das private Familienwohnheim kann wegen einer sachlichen Steuerbefreiung zu Lebzeiten jederzeit schenkungsteuerfrei von einem Ehegatten auf den anderen schenkweise übertragen werden. Grund für diese Steuerbefreiung ist die Privilegierung des Familienwohnheims als Mittelpunkt des familiären Zusammenlebens. Das Finanzgericht Münster hatte aktuell darüber zu befinden, ob die Steuerbefreiung für Familienwohnheime auch auf Ferienhäuser Anwendung finden kann.

Sachverhalt
 Der Kläger hatte seiner Ehefrau ein Ferienhaus geschenkt, das von der Familie während der Ferienaufenthalte regelmäßig genutzt wurde; Fremdvermietungen erfolgten nicht. Das beklagte Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest, wogegen sich der Kläger mit der Begründung wandte, auch für die Übertragung des (Familien)Ferienhauses sei die Steuerbefreiung für Familienwohnheime zu gewähren. Das Ferienhaus werde, wie das Familienheim auch, wegen eines bestehenden Hausmeisterdienstes ganzjährig zur Wohnnutzung bereit gehalten und sei für die Belange der täglichen Lebensführung eingerichtet. Weitere Anforderungen an den Begriff des "Familienwohnheims" stelle das Gesetz nicht.

Entscheidung
 Das Finanzgericht Münster wies die Klage ab, ließ aber aus Gründen der Rechtsfortbildung die Revision zu. Das Gericht folgte den Verwaltungsanweisungen, wonach ein Familienwohnheim nur dann vorliegt, wenn der geschenkte Grundbesitz neben der ausschließlichen Nutzung zu familiären Wohnzwecken den Mittelpunkt des familiären Lebens bildet und nicht nur als Feriendomizil genutzt wird. Der im Gesetz enthaltene Begriff des "Familienwohnheims" sei entsprechend ergänzend auszulegen. Vor diesem Hintergrund sei das Ferienhaus nicht als der Mittelpunkt familiären Lebens, sondern als reines, nicht begünstigtes Feriendomizil einzustufen.

Konsequenz
 Ungeachtet der Tatsache, dass die Revision zugelassen worden ist, dürfte die Entscheidung Bestand haben. Sie entspricht nicht nur den Verwaltungsanweisungen sondern auch der herrschenden Meinung. Ungeachtet dessen sollten betroffene Veranlagungsfälle offen gehalten werden bis der Bundesfinanzhof entschieden hat.

14. Alkohol am Arbeitsplatz: Risiko für Versicherungsschutz und Hinterbliebenenrente

Kernfrage/Rechtslage
 Arbeitsunfälle, einschließlich Unfällen auf dem Weg zur und von der Arbeit, sind über die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Das Landessozialgericht Darmstadt hatte in einem besonders schwerwiegenden Fall des Alkoholkonsums während der Arbeit darüber zu befinden, ob der Versicherungsschutz insgesamt verweigert werden kann, wenn den Arbeitnehmer die alleinige Schuld am Unfall trifft.

Sachverhalt
 Ein Arbeitnehmer hatte zum Zeitpunkt seines tödlichen Unfalls auf der Heimfahrt von der Arbeit 2,2 Promille Alkohol im Blut, war also absolut fahruntüchtig. Beim Arbeitgeber galt ein Alkoholverbot. Die Ermittlungen ergaben, dass allein die absolute Fahruntüchtigkeit Unfallursache gewesen war. Aufgrund dieser Tatsache wurden der Familie die Leistungen aus der gesetzlichen Hinterbliebenenversorgung (Unfallversicherung) versagt. Hiergegen wandte sich die Ehefrau, insbesondere mit der Begründung, dass es im Betrieb üblich gewesen sei, Alkohol zu trinken.

Entscheidung
 Das Landessozialgericht Darmstadt wies die Klage ab, ließ allerdings die Revision zum Bundessozialgericht zu. Es sei zulässig, die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung insgesamt zu versagen, wenn ein Alleinverschulden des Arbeitnehmers an dem Unfall vorliege. Auch der Arbeitgeber könne nicht mit zur Verantwortung gezogen werden, da der Genuss von Alkohol stets eine private Entscheidung des eigenverantwortlich handelnden Versicherten sei und der Alkoholkonsum nicht zu einer betrieblichen Tätigkeit gehöre. Im Übrigen seien im Betrieb auch nur alkoholfreie Getränke angeboten worden. Eine Pflicht des Arbeitgebers zum Unterbinden von Alkoholkonsum bestehe nicht.

Konsequenz
 Die Revision bleibt abzuwarten. Nicht ausgeurteilt, aber wohl anders zu entscheiden, ist der Fall, wenn es sich um einen alkoholkranken Arbeitnehmer handelt. Inwieweit und in welchem Grad hier eine Mitverursachung durch Dritte anzunehmen wäre, die dann jedenfalls nicht zum vollen Verlust der Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung führen würde, bleibt ebenfalls abzuwarten. Einstweilen verbleibt es dabei, dass die Alleinverantwortung für einen Unfall zum vollständigen Verlust der gesetzlichen Versicherungsansprüche führen kann.

15. Ein Buch als Kündigungsgrund?

Rechtslage
 Wenn Arbeitnehmer Bücher schreiben und diese einen engen Bezug zum Arbeitsplatz aufweisen, besteht die Gefahr, dass das Arbeitsverhältnis empfindlich gestört wird. Die (vermeintliche) Kunstfreiheit steht dann im direkten Gegensatz zum Betriebsfrieden. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte in einer solchen Konstellation zu dem Buch "Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht" zu entscheiden.

Sachverhalt
 Ein seit langem beschäftigter Arbeitnehmer, und Mitglied des Betriebsrats des Unternehmens, hatte einen Roman über den Arbeitsalltag geschrieben. Dabei hatte er unter anderem einem "fiktiven" Kollegen Rauschmittelkonsum vorgeworfen, den "fiktiven" Juniorchef als entscheidungsunwilligen Feigling tituliert und der "fiktiven" Chefin die intellektuelle Kapazität abgesprochen. Sein Buch bot er Kollegen während der Arbeitszeit zum Kauf an. Nachdem der Arbeitgeber hiervon und vom Inhalt des Buches Kenntnis erlangt hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats fristlos. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Roman beleidigende, sexistische und ausländerfeindliche Inhalte habe, die Romanfiguren tatsächlichen Personen nachempfunden gewesen seien und durch das Buch der Betriebsfrieden unwiederbringlich zerstört worden sei. Allerdings musste der Arbeitgeber einräumen, dass die im Roman überspitzt dargestellten Verhältnisse nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprachen. Der Arbeitnehmer berief sich auf die Kunstfreiheit und erhob Kündigungsschutzklage.

Entscheidung
 Das Gericht gab dem Arbeitnehmer Recht, ließ jedoch angesichts des Spannungsfeldes zwischen Betriebsfrieden einerseits und Kunstfreiheit andererseits ausdrücklich die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu. In seiner Begründung stellte das Gericht darauf ab, dass es sich um einen fiktiven Roman handele und selbst der Arbeitgeber eingestehen müsse, dass die Verhältnisse überspitzt gezeichnet seien. Die Kunstfreiheit überwiege, zumal erst dann nicht mehr von einem fiktiven Roman ausgegangen werden könne, wenn alle Eigenschaften einer Romanfigur dem tatsächlichen Vorbild entsprächen.

Konsequenz
 Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird mit Spannung abzuwarten sein. Insbesondere die Tatsache, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur fristlosen Kündigung gegenüber einem seiner Mitglieder erteilt hatte, dürfte den Schluss zulassen, dass wenigstens betriebsintern jeder wusste, wer gemeint war. Auch wenn die Kunstfreiheit durch das Grundgesetz garantiert ist, wird man sich fragen müssen, ob guter Geschmack und Umgang im Arbeitsverhältnis nicht doch Berücksichtigung finden sollten.

16. Grunderwerbsteuer in NRW und Rheinland-Pfalz steigt von 3,5 % auf 5,0 %

Hintergrund
 Die Grunderwerbsteuer wird von den einzelnen Bundesländern erhoben. Sie besteuert Rechtsvorgänge über inländische Grundstücke, soweit diese Rechtsgeschäfte darauf gerichtet sind, das Eigentum am Grundstück oder eine eigentümerähnliche Stellung zu erlangen. Der Grunderwerbsteuer unterliegen Kaufverträge und sonstige Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründen. Solche sonstigen Rechtsgeschäfte sind z. B. das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren oder die Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft durch Übergang von mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter. Steuerschuldner sind die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen; meist wir in der Praxis die alleinige Entrichtung der Grunderwerbsteuer durch den Erwerber vereinbart. Der Notar muss die von ihm beurkundeten Grundstückskaufverträge dem Finanzamt anzeigen, das sodann die Grunderwerbsteuer festsetzt. Die Länder NRW und Rheinland-Pfalz verbuchen jährlich jeweils rd. 200 Mio. EUR an Einnahmen durch diese Steuer.

Erhöhung der Grunderwerbsteuer
 Die Grunderwerbsteuer beträgt in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz derzeit noch 3,5 % von der Gegenleistung (Kaufpreis). In beiden Landtagen wird allerdings aktuell über eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer diskutiert. Ein Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen in NRW sieht für alle ab dem 1.10.2011 verwirklichten Erwerbsvorgänge eine Erhöhung von 3,5 % auf 5,0 % vor. In Rheinland-Pfalz soll die Grunderwerbsteuer erst zum 1.3.2012 um eineinhalb Prozent auf dann 5,0 % steigen. Es gilt als überwiegend wahrscheinlich, dass die Gesetzesvorhaben zeitnah umgesetzt werden.

Ausblick
 Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer dient in erster Linie dem Ausgleich der angespannten Haushaltslagen in den beiden Bundesländern. Das Finanzministerium Rheinland-Pfalz erklärte, bewusst nicht den Jahresbeginn als Stichtag für die Erhöhung gewählt zu haben, um dem Steuerbürger entsprechend Zeit zu geben, sich auf die veränderten Umstände einzustellen. So viel Zeit wird den Steuerpflichtigen in NRW nicht bleiben. Hier gilt es, geplante Grundstücksverkäufe, Anteilsübertragungen oder Umstrukturierungsvorgänge unter Einbeziehung von grundstücksbesitzenden Gesellschaften zeitlich vorzuziehen und vor dem 1.10.2011 umzusetzen.

17. ELENA-Verfahren steht vor dem Aus

Hintergrund
 Mit dem elektronischen Entgeltnachweisverfahren (ELENA) wurden seit 2009 bisher alle Arbeitnehmer jeden Monat verpflichtet, neben den Meldungen für die Lohnsteuer und zu den Sozialversicherungsträgern, eine große Anzahl weiterer, auch persönlicher Daten, elektronisch mitzuteilen. Dabei war ohne Bedeutung, ob die mitgeteilten Daten überhaupt einmal benötigt würden. Zweck des Verfahrens war der Aufbau einer der größten Datenspeicher Deutschlands. Bis zuletzt bestanden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens; das Bundesverfassungsgericht musste sich mit einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden gegen ELENA befassen.

ELENA-Verfahren wird eingestellt
 Die Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie sowie für Arbeit und Soziales haben sich im Juli 2011 geeinigt, das ELENA-Verfahren schnellstmöglich endgültig einzustellen. Begründet wird dies in erster Linie mit der fehlenden Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur. Es hatte sich herausgestellt, dass dieser für das ELENA-Verfahren datenschutzrechtlich gebotene Sicherheitsstandard in absehbarer Zeit nicht flächendeckend hätte verbreitet werden können. Dies wäre aber entscheidend für den Erfolg des Verfahrens gewesen.

Ausblick
 Die Bundesregierung wird nunmehr dafür sorgen müssen, dass die bisher gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht und die Arbeitgeber von den bisher bestehenden Meldepflichten entlastet werden. Dazu muss zunächst ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt werden, was in Kürze geschehen soll. Denn das Verfahren ELENA wird erst dann eingestellt und die gespeicherten Daten werden erst dann gelöscht, wenn es dafür eine entsprechende gesetzliche Grundlage gibt. Trotzdem soll die Datenerhebung nicht umsonst gewesen sein: das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kündigte an, ein Konzept zu entwickeln, um die bereits bestehende Infrastruktur von ELENA und das erworbene Know-how für ein einfacheres und unbürokratisches Meldeverfahren in der Sozialversicherung zu nutzen.

18. Schadensbegrenzung bei krankheitsbedingter Urlaubsabgeltung

Kernfrage
 Urlaubsansprüche, jedenfalls die gesetzlichen Mindestansprüche, die ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht geltend machen kann, bleiben erhalten und sind abzugelten; so der Europäische Gerichtshof (EuGH). Darüber hinaus entsteht der Urlaubsanspruch auch dann, wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Damit werden Urlaubsansprüche von langzeiterkrankten Arbeitnehmern zu einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko für die Arbeitgeber. Beim Europäischen Gerichtshof ist jetzt ein Verfahren anhängig, in dem zu klären ist, ob diese sich perpetuierende Kette von wachsenden und im Zweifel abzugeltenden Urlaubsansprüchen von Langzeiterkrankten begrenzt werden kann. Die Generalanwältin beim EuGH hat sich dafür ausgesprochen.

Sachverhalt
 Der Kläger des deutschen Ursprungsverfahrens war 2002 nach einem Infarkt arbeitsunfähig erkrankt; allerdings einigten sich die Parteien erst 2008 auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eingeklagt hatte er die Abgeltung der Urlaubsansprüche für die Jahre 2002 bis 2008. Das zuständige Landesarbeitsgericht legte nun dem Europäischen Gerichtshof die Fragen zur Entscheidung vor, ob das Europäische Recht eine Ansammlung von Urlaubsabgeltungsansprüchen über mehrere Jahre hinweg gebiete und ob es den Mitgliedstaaten gestattet sei, eine zeitliche Begrenzung für diese Ansprüche von 18 Monaten vorzusehen.

Die Auffassung der Generalanwaltschaft
 Zwar lehnt es die Generalanwaltschaft (wie der Europäische Gerichtshof auch) ab, dass Urlaubsabgeltungsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer insgesamt verfallen können. Sie hält aber eine zeitliche Begrenzung des Anwachsens solcher Ansprüche auf 18 Monate für zulässig. Eine entsprechende zeitliche Begrenzung stehe im Einklang mit Unionsrecht und schütze den Arbeitnehmer ausreichend. In Ermangelung einer europäischen Regelung sei es daher den Mitgliedstaaten möglich, entsprechende Begrenzungsregelungen vorzusehen.

Hintergrund
 Die Auffassung der Generalanwältin ist zu begrüßen; ob der Europäische Gerichtshof ihr folgt, bleibt abzuwarten. Denn in seiner Entscheidung wird sich das Gericht mit der deutschen Urlaubssystematik beschäftigen müssen. Insbesondere wird er sich wohl zu Fragen der Abgrenzung von Erholungs- und Krankheitsurlaub sowie zu Fragen der Grenzen für die Abgeltung gesetzlicher Urlaubsansprüche im Fall der Beendigung von Arbeitsverhältnissen äußern müssen.

19. Telekom-Tarifvertrag gilt auch für ehemalige Postler

Kernfrage
 Verweisen Arbeitsverträge auf Tarifverträge und kommt es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses dazu, dass dieses vom ursprünglichen Arbeitgeber auf einen anderen Arbeitgeber übergeht, stellt sich regelmäßig die Frage, wie die ursprüngliche Verweisnorm zu verstehen ist. Möglich sind einfache Bezugnahmen, die in der Regel dazu führen, dass alte Tarifverträge erhalten bleiben, weil der neue Arbeitgeber Tarifnachfolger wird. Denkbar sind aber auch Wechsel im anwendbaren Tarifvertrag. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr zur Auslegung solcher Bezugnahmeklauseln in einem Fall zu entscheiden, in dem der ursprüngliche Arbeitsvertrag 27 Jahre zuvor geschlossen worden war.

Sachverhalt
 Der Kläger war seit 1980 bei der Deutschen Bundespost und später nach deren Privatisierung im Jahre 1995 bei der Telekom beschäftigt. Aufgrund einer Verweisung in seinem ursprünglichen Arbeitsvertrag fanden die Tarifverträge der Bundespost Anwendung, später wurden die Tarifverträge der Telekom auf das Arbeitsverhältnis angewendet. Schließlich ging das Arbeitsverhältnis des Klägers 2007 im Rahmen eines Teilbetriebsübergangs auf eine Tochtergesellschaft der Telekom über, die lediglich ihren Haustarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwandte. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass der Tarifvertrag der Telekom im Zeitpunkt des Teilbetriebsübergangs auf ihn anzuwenden sei und bekam Recht.

Entscheidung
 Nach Ansicht der Richter ergibt sich die Tatsache, dass die Tarifverträge der Telekom und nicht der (schlechtere) Haustarifvertrag der Tochtergesellschaft auf den Kläger anzuwenden sind, aus der Verweisklausel seines ursprünglichen Arbeitsvertrags mit der Bundespost. Diese erfasse im Wege der Vertragsauslegung auch die Tarifverträge der Telekom, weil sie im Rahmen der Privatisierung Tarifnachfolger der Bundespost geworden sei. Nicht mehr möglich sei es aber, die ursprüngliche Verweisungsklausel dahingehend auszulegen, dass auch Tarifverträge von Tochtergesellschaften zur Anwendung gelangten. Dies sei bei der Privatisierung gar nicht abzuschätzen gewesen. Im Übrigen sei es nicht möglich, die reine Verweisklausel in eine Tarifwechselklausel umzudeuten.

Konsequenz
 Die Entscheidung zeigt die Bedeutung von Verweisklauseln in Arbeitsverträgen. Die Problematik ist offensichtlich nicht nur auf ehemalige Staatsbetriebe beschränkt. Vergleichbare Situationen der Tarifnachfolge können auch eintreten, wenn Unternehmen umgewandelt werden.

20. Ausschluss von Kindern besser verdienender Eltern aus Familienversicherung ist verfassungsgemäß

Kernaussage
 Kinder miteinander verheirateter Eltern von sind von Gesetzes wegen von der beitragsfreien Familienversicherung ausgeschlossen, wenn das Gesamteinkommen des Elternteils, der nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, höher ist als das des Mitglieds und bestimmte, im Gesetz festgelegte Einkommensgrenzen übersteigt. Durch die Regelung werden verheiratete Elternteile bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen gegenüber unverheirateten Elternteilen schlechter gestellt, da bei ihnen ein solcher Ausschluss nicht erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat 2003 entschieden, dass die Ausschlussregelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diese Rechtsprechung wurde nun bestätigt.

Sachverhalt
 Die Beschwerdeführerin ist in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert und mit einem selbstständigen Rechtsanwalt verheiratet, der wie die 4 gemeinsamen Kinder (die weiteren Beschwerdeführer) privatversichert ist. Die Beschwerdeführer begehrten die Feststellung, dass die Kinder im Wege der Familienversicherung beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung über ihre Mutter mitversichert seien. Ihre gegen die Ablehnung der Krankenkasse erhobene Klage blieb vor den Sozialgerichten erfolglos. Auch die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht war unbegründet.

Entscheidung
 Das Bundesverfassungsgerichts hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die Ungleichbehandlung verheirateter Elternteile gegenüber unverheirateten Elternteilen im Hinblick auf die Familienversicherung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Grundrecht auf Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) verstößt. Die Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt durch die Befugnis des Gesetzgebers, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen. Eine Ausschlussregelung, die sich in gleicher Versicherungs- und Einkommenskonstellation auch auf Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft erstreckte, wäre für die Krankenkasse nicht handhabbar. Es würde eine faktisch nicht zu leistende Aufgabe darstellen, turnusmäßig zu prüfen, ob eine solche Lebensgemeinschaft - noch oder wieder - besteht. Diese Prüfung entfällt bei der Ehe, die ein rechtlich klar definierter und leicht nachweisbarer Tatbestand ist. Die gesetzliche Benachteiligung der verheirateten Elternteile durch Ausschluss der Kinder von der Familienversicherung ist hinzunehmen, weil sie bei einer Gesamtbetrachtung der gesetzlichen Regelung nicht schlechter gestellt sind als Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Während nämlich der Ehepartner, der Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dem anderen Ehepartner, der dies nicht ist, beitragsfreien Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung vermitteln kann, kommt diese Möglichkeit den Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht zugute.

Konsequenz
 Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen der Kinder. Diese verlangt die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge für die ca. 10 % privat versicherten Kinder, trifft aber keine Aussage dazu, ob Kinder auch dann im System der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei versichert werden müssen, wenn ein Elternteil mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, der das Einkommen des pflichtversicherten Ehegatten überschreitet, nicht pflichtversichert ist.

21. Zur Steuerbefreiung bei Vermögensauseinandersetzung

Kernaussage
 Häufig treffen Eheleute für den Fall einer Scheidung Vereinbarungen über das gemeinsame Vermögen. Bei einer solchen Vereinbarung die ein Wohnhaus betrifft, an dem beide Ehepartner einen Miteigentumsanteil haben und in der geregelt ist, dass der dort wohnen bleibende Ehegatte ein Ankaufsrecht für den anderen Miteigentumsteil bekommt, ist der Erwerb dieses Ankaufsrechts grunderwerbsteuerfrei (§ 3 Nr. 5 GrEStG). Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied nun, dass dies nicht für den Grundstückserwerb vom Gesamtrechtsnachfolger des geschiedenen Ehegatten gilt.

Sachverhalt
 Die Klägerin und ihr früherer Ehemann waren zu je 1/2 Miteigentümer eines Einfamilienhauses. Nach der Scheidung im Jahre 1991 erwarb die Klägerin aufgrund eines vorher geschlossenen Auseinandersetzungsvertrages ein Ankaufsrecht über den Miteigentumsanteil des Ehemannes. Als Kaufpreis vereinbart war die Hälfte des Verkehrswertes, berechnet auf den Zeitpunkt der Ausübung des Ankaufsrechts. Der 2003 verstorbene Ehemann wurde von seiner neuen Ehefrau beerbt. Diese einigte sich mit der Klägerin über den Erwerb des noch bestehenden Miteigentumsanteils. Das beklagte Finanzamt setzte für den Erwerbsvorgang Grunderwerbssteuer fest. Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab, der BFH hob das Urteil auf und wies das Finanzgericht an, zu prüfen, ob die Klägerin ihr Ankaufsrecht gegenüber dem Ex-Gatten oder dessen Erbin ausgeübt hatte.

Entscheidung
 Es kommt entscheidend darauf an, gegenüber wem die Klägerin einen Übereignungsanspruch hinsichtlich des Miteigentumsanteils begründet hat. Sofern bereits mit Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages mit dem ehemaligen Ehegatten ein solcher Anspruch entstanden wäre, entfiele die nochmalige Entstehung von Grunderwerbsteuer. Entgegenstehen könnte dem die unbestimmte Kaufpreisregelung im Vertrag, wobei es allerdings für die wirksame Ausübung eines Ankaufsrechts ausreicht, wenn der Kaufpreis nur bestimmbar ist. War die Ausübung jedoch nicht gegenüber dem Ex-Gatten, sondern erst gegenüber dessen zweiter Ehefrau wirksam, so wäre die Festsetzung der Grunderwerbsteuer rechtmäßig. Denn durch die Steuerbefreiungsvorschrift wird nicht der Erwerb vom Gesamtrechtsnachfolger begünstigt. Auch eine analoge Anwendung scheidet aus; geregelt werden soll eine Steuerbefreiung für die Vermögensauseinandersetzungen nach der Scheidung. Mit Ableben eines Ehepartners ist der Grund für die Steuerbefreiung erloschen.

Konsequenz
 Eine Steuerbefreiung für den Erwerb von Ankaufsrechten im Falle einer Scheidung gilt nur zwischen den Ehepartnern und ist nicht auf die Gesamtrechtsnachfolge ausdehnbar.

22. Steuerhinterziehung: besonders schwerer Fall ist stets zu prüfen

Kernaussage
 Steuerhinterziehung wird bestraft mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. In besonders schweren Fällen reicht die Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren; Geldstrafe kommt nicht mehr in Betracht. Ein besonders schwerer Fall liegt vor, wenn gesetzlich normierte Regelbeispiele verwirklicht sind, d. h. z. B. Steuern in großem Ausmaß oder unter Verwendung falscher Belege hinterzogen werden (§ 370 Abs. 3 AO). Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in 2008 das Merkmal "großes Ausmaß" ausgelegt und dafür 2 Betragsgrenzen bestimmt: hat der Täter lediglich das Finanzamt über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch den staatlichen Steueranspruch gefährdet, ist das Merkmal bei einer Hinterziehung von 100.000 EUR erfüllt. Erlangt der Täter ungerechtfertigt Zahlungen vom Finanzamt, liegt die Betragsgrenze bei 50.000 EUR. Dazu entschied der BGH nun, dass die Urteilsbegründung bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ergeben muss, ob Steuern in großem Ausmaß verkürzt wurden und weshalb trotz Vorliegens eines Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall verneint wird.

Sachverhalt
 Der angeklagte Unternehmer tätigte in 2007 und 2008 durch Scheinrechnungen abgedeckte Schwarzein- und verkäufe von Telefonkarten. Hierbei hinterzog er Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 2,2 Mio. EUR. Bei einigen Taten reichten die Hinterziehungsbeträge von 19.000 EUR bis 204.000 EUR; bei weiteren Taten lag der Hinterziehungsbetrag über 100.000 EUR. Das Landgericht hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten auf Bewährung verurteilt. In den Entscheidungsgründen des Urteils war nicht erörtert worden, ob der Angeklagte Steuern "in großem Ausmaß" verkürzt hatte. Die Revision des Angeklagten blieb vor dem BGH erfolglos. Statt dessen entschieden die Richter, dass der Strafrahmen zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft war.

Entscheidung
 Das Landgericht hatte nicht geprüft, ob bei den Hinterziehungsbeträgen ab 100.000 EUR das gesetzliche Merkmal "in großem Ausmaß" gegeben war. Darüber hinaus hätte bei Bejahung dieses Regelbeispiels auch das Vorliegen eines besonders schweren Falles angenommen werden müssen. Die Umstände, die das Regelbeispiel begründen, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben, sondern müssen im Vordergrund der Abwägung stehen. Weil das Landgericht das Regelbeispiel gar nicht erst geprüft hat, konnte es auch nicht erörtern, ob die deswegen gebotene Anwendung des erschwerten Strafrahmens durch Milderungsgründe kompensiert wurde.

Konsequenz
 Das Urteil zeigt einmal mehr die harte Vorgehensweise gegen Steuersünder. Anlässlich der Zurechtweisung des Landgerichts für die unzureichende Prüfung des Straftatbestandes und des einschlägigen Merkmals des "großen Ausmaßes" wies der BGH noch auf Folgendes hin: die Bezahlung der geschuldeten Steuer ändert nichts an der Indizwirkung der Überschreitung der 100.000 EUR-Grenze für besonders schwere Fälle. Hierbei sei bereits berücksichtigt, dass es lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs komme.

23. Steuererstattung auf falsches Konto wirkt nicht schuldbefreiend

Kernaussage
 Haben Ehegatten vor ihrer Trennung in einer gemeinsamen Steuererklärung die Auszahlung etwaiger Steuererstattungsbeträge auf ein dem Ehemann zuzurechnendes Bankkonto beantragt, hat die Zahlung des gesamten Erstattungsbetrages auf ein der Ehefrau zuzurechnendes Konto in Höhe des hälftigen Anteils keine schuldbefreiende Wirkung.

Sachverhalt
 Der Kläger und seine Ehefrau wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In einer gemeinsamen Steuererklärung gaben sie an, dass Erstattungsbeträge auf ein dem Ehemann zuzurechnendes Bankkonto überwiesen werden sollen. Davon abweichend teilte die Ehefrau dem beklagten Finanzamt mit, dass die Bankverbindung unzutreffend sei und reichte eine auf sie lautende Kontoverbindung ein. Diese Erklärung trug eine weitere Unterschrift, die jedoch mit dem Schriftzug des Klägers nicht identisch war. Das Finanzamt überwies daraufhin den festgesetzten Erstattungsbetrag insgesamt auf das Konto der Ehefrau. Nach Trennung der Ehegatten bat der Kläger um Überweisung des Erstattungsbetrages auf sein Konto. Das beklagte Finanzamt stellte durch Abrechnungsbescheid fest, dass der Erstattungsanspruch durch Überweisung auf das Konto der Ehefrau erloschen sei. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidung
 Das Finanzgericht gab der Klage in Höhe des hälftigen Erstattungsbetrages statt. Nach den Vorschriften der Abgabenordnung (hier: § 37 Abs. 2 AO) ist derjenige erstattungsberechtigt, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Soweit im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist bei bestehender Ehe davon auszugehen, dass die Zahlung für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner erfolgte. Ebenso sind beide Ehegatten bei Überzahlung sodann erstattungsberechtigt. Der Erstattungsbetrag ist nach Köpfen aufzuteilen. Aufgrund der ausdrücklichen Anweisung in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung zur Zahlung auf das Konto des Ehemannes, durfte das Finanzamt den hälftigen Erstattungsbetrag nicht auf ein anderes Konto überweisen. Die schuldbefreiende Wirkung konnte mit dieser Überweisung nicht eintreten.

Konsequenz
 Bei zusammen veranlagten Ehegatten erfolgt die Zahlung während einer intakten Ehe grundsätzlich auf die Einkommensteuerschuld beider Ehegatten. Zahlungen während und nach der Trennung und/oder Scheidung erfolgen demgegenüber in der Regel auf die Einkommensteuerschuld des Zahlenden. In Zweifelsfällen sollte eine eindeutige Tilgungsbestimmung getroffen werden.

24. Gewinnvortrag und Jahresüberschuss keine nachträglichen Anschaffungskosten bei Veräußerung eines GmbH-Anteils

Kernaussage
 Gewinne aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung (> 1 %) an einer GmbH unterliegen zu 50 % (in 2004) der Steuerpflicht; Verluste ebenso. Ein Gewinn bzw. Verlust ermittelt sich aus dem Veräußerungspreis abzüglich der Anschaffungskosten. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied nun, dass der Gewinnanteil des Veräußerers einer solchen relevanten GmbH-Beteiligung preisbildender Bestandteil des veräußerten Anteils ist und etwaige Gewinnvorträge und Jahresüberschüsse den Veräußerungsgewinn nicht mindern.

Sachverhalt
 Die Parteien vereinbarten als Kaufpreis für einen zu übertragenden GmbH-Anteil den Betrag des darauf eingezahlten Stammkapitals und einer übernommenen Darlehensverbindlichkeit. Die GmbH hatte in der Vergangenheit Gewinne erwirtschaftet und diese auf neue Rechnung vorgetragen. Der klagende Verkäufer vertrat die Ansicht, dieser Bilanzgewinn stelle anteilig nachträgliche Anschaffungskosten für seinen GmbH-Anteil dar und beantragte, einen Verlust aus der Veräußerung seines Anteils zu berücksichtigen. Das beklagte Finanzamt ermittelte einen Veräußerungsgewinn. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem BFH erfolglos.

Entscheidung
 Der BFH orientiert sich in seiner Entscheidung am handelsrechtlichen Begriff der Anschaffungskosten. Er führt aus, dass das Mitgliedschaftsrecht an einem GmbH-Anteil insbesondere den Gewinnvortrag und den erzielten Jahresüberschuss, über dessen Verwendung noch nicht beschlossen wurde, umfasst. Die streitigen Bestandteile Gewinnanteil und -vortrag stellen in diesem Fall deshalb keine besonderen nachträglichen Anschaffungskosten dar, sondern unselbstständige, preisbildende Bestandteile des veräußerten GmbH-Anteils. Der Erwerber der Anteile hat den Kaufpreis gerade auch dafür bezahlt, dass mit dem erworbenen Anteil der streitbefangene anteilige Gewinnvortrag und Jahresüberschuss mit übergeht.

Konsequenz
 Mit diesem Urteil hat der BFH den Anschaffungskostenbegriff in Bezug auf vorgetragene Gewinne bei der Veräußerung eines GmbH-Anteils klar definiert. Vor einer Anteilsveräußerung sollten Überlegungen im Hinblick auf die thesaurierten Gewinne angestellt werden und diese ggf. durch Ausschüttungsbeschlüsse oder im Rahmen der Kaufpreisbemessung genutzt werden.

25. Müssen sich Betriebsratsmitglieder für jede Tätigkeit abmelden?

Kernaussage
 Ein Betriebsratsmitglied, das an seinem Arbeitsplatz während seiner üblichen Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrnimmt, ist in der Regel verpflichtet, sich zuvor bei seinem Arbeitgeber abzumelden und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Zweck dieser Meldepflicht ist es, dem Arbeitgeber zu ermöglichen, den Arbeitsausfall anderweitig aufzufangen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun, dass eine vorherige Abmeldepflicht dann nicht besteht, wenn eine vorübergehende und anderweitige Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt. Dies hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab.

Sachverhalt
 Bei der Arbeitgeberin, einem Marktforschungsunternehmen der Automobilbranche mit ca. 220 Arbeitnehmern, war ein aus 9 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gebildet worden. Dieser war, entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin, der Ansicht, seine Mitglieder treffe generell keine Pflicht, sich vor jeder Betriebsratstätigkeit beim jeweiligen Vorgesetzten abzumelden. Der Betriebsrat begehrte die diesbezügliche gerichtliche Feststellung mit der Begründung, das einzelne Mitglied müsse selbst entscheiden können, ob die ausgefallene Arbeit nachgeholt werden könne. Bei lediglich kurzen Arbeitsunterbrechungen sei eine Abmeldung überhaupt nicht geboten. Der Betriebsrat unterlag mit dem Feststellungsantrag in allen Instanzen.

Entscheidung
 Das BAG wies den im Übrigen zu weit gefassten Antrag mit dem Hinweis ab, die umstrittene Abmeldepflicht eines Betriebsratsmitglieds könne weder generell verneint noch bejaht werden. Hier hänge es immer von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Die Meldepflicht des Betriebsratsmitglieds diene gerade dazu, dem Arbeitgeber die Organisation des Betriebsablaufs zu ermöglichen und den Arbeitsausfall anderweitig aufzufangen. In diesem Zusammenhang seien insbesondere die Art der Arbeitsaufgabe des Betriebsratsmitglieds und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunterbrechung von Relevanz. Komme daher eine vorübergehende Umorganisation der Arbeit nicht in Betracht, entfalle auch die Meldepflicht. Das BAG wies ferner darauf hin, dass ein Betriebsratsmitglied bei unterlassener Abmeldung verpflichtet ist, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen nachträglich die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen.

Konsequenz
 Generelle Klarheit bringt das Urteil wegen der Erforderlichkeit einer jeweiligen Einzelprüfung nicht. In Zweifelsfällen sollte daher möglichst vor der Betriebsratstätigkeit eine Abmeldung beim Vorgesetzen erfolgen.

26. Zahlung eines Ehegatten dient der Steuerschuld beider

Kernaussage
 Vorauszahlungen sind mit der gegen beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer zu verrechnen. Ein verbleibender Betrag ist den Ehegatten anteilig zu erstatten.

Sachverhalt
 Der Kläger leistete aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheides für die Einkommensteuer 2001 Vorauszahlungen in Höhe von rund 23.000 EUR. Bis Anfang 2002 lebte der Kläger mit seiner damaligen Ehefrau zusammen, später wurde die Ehe geschieden. Die Ehefrau beantragte 2003 die getrennte Veranlagung für das Jahr 2001. Der gegen den Kläger ergangene Einkommensteuerbescheid enthielt keine Anrechnung auf die Vorauszahlungen. Die festgesetzte Zahllast wurde vom Konto des Klägers abgebucht. In Folge erhielt der Kläger eine Erstattung des vollen Betrages der Vorauszahlungen. Das Finanzamt forderte nunmehr vom Kläger die Hälfte des ihm erstatteten Betrages zurück, da diese Vorauszahlungen der Ehefrau zuzurechnen wären. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidung
 Der Bundesfinanzhof gab dem Kläger überwiegend Recht. Der Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO steht demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Solange im Zeitpunkt der Vorauszahlung die Ehe besteht und die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, kann das Finanzamt davon ausgehen, dass der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlende Ehegatte auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will. Bei Überzahlung sind beide Ehegatten somit jeweils zur Hälfte erstattungsberechtigt. Sind die Vorauszahlungen nicht bestimmungsgemäß auf die festgesetzten Steuern angerechnet worden, so ist die Vorauszahlung zunächst in Höhe des festgesetzten Betrages dem Ehegatten zu erstatten, auf dessen Schuld sie sonst anzurechnen gewesen wäre. Verbleibt nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den Vorauszahlungen noch ein Rest, ist dieser den Ehegatten anteilig zu erstatten.

Konsequenz
 Sofern einer der Ehegatten nur für sich selbst die Vorauszahlungen leisten will, ist eine genaue Leistungsbestimmung unerlässlich. Anderenfalls werden diese Vorauszahlungen der Ehegattengemeinschaft zu gleichen Teilen zugerechnet.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de